Mirjam Wanner | No Good
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Ausstellungsansicht

shed im Eisenwerk 2012 / Kunstmuseum Thurgau, 2017

 

Die Fotografien zeigen verschiedene Charaktere, weiblich oder männlich, die alle von ein und demselben Mädchen dargestellt werden. Zum Teil handelt es sich um Figuren der Mythologie oder Geschichte, zum Teil entstammen sie der Literatur oder Filmgeschichte, zum Teil werden sie in Liedern besungen oder aber sie sind frei erfunden. Ihnen gemein ist, dass sie alle auf die dunklen, unangenehmen, verdrängten und beängstigenden Aspekte der menschlichen Seele verweisen. Die Porträtierte dient als Projektionsfläche, schlüpft einerseits in die unterschiedlichen Rollen, die die Künstlerin ihr vorgibt, andererseits bewahrt sie stets die Distanz zum Betrachter, lässt ihm Raum, die Figur mit seinen eigenen Vorstellungen zu beleben. Das Spannungsfeld zwischen Wahrheit und Fiktion wird mehrfach aufgebrochen, gerade auch weil die Porträtfotografie so unendlich viele Inszenierungsmöglichkeiten bietet. Als eine wichtige Inspiration zur Arbeit NO GOOD nennt Mirjam Wanner die Rituale der sogenannten ‚Angels of Bali’.

 

Nachfolgend eine kurze Beschreibung zum Ablauf dieses Rituals:

Um die Reisfelder mit heiligem Wasser zu besprengen und so die Fruchtbarkeit und die Ernte zu sichern, werden singend die Engel gebeten, vom Himmel herab zu steigen und in die Körper einiger ausgewählter junger Mädchen zu fahren. Die Mädchen werden mittels Rauch, Musik und Gesang in Trance versetzt und kommen so in einen Zustand, die Engel in ihre Körper hinein zu lassen. Es kann jedoch einige Abende dauern bis dies gelingt. Wenn die Mädchen in Trance fallen, stehen sie auf und bewegen sich im Takt der Lieder: Mit leichten Schritten immer an derselben Stelle. Stört irgend etwas den Ablauf des Geschehens – unharmonisches Singen oder Geschwätz – so protestieren die Engel.

Die Mädchen stampfen mit den Füssen zornig auf den Boden oder schlagen gar auf die Köpfe der Zuschauer ein. Nach vielen Stunden lassen die Lieder die Engel wieder zum Himmel emporsteigen. Die Priester haben Weihwasserbecken mit schwimmenden Blumen aufgestellt. Die göttlichen Wesen besprengen sich mit dem Wasser. Keine Menschenhand dürfte dies je tun. Der Wind trägt die magische Kraft auf das Feld hinaus. Mutter Reis freut sich. Die Zeremonie ist vorüber, aber das erhabene, beglückende Gefühl bleibt bestehen.

Mirjam Wanner bemerkt: „Was mich an diesem Ritual interessiert, ist das Potenzial, das in den Mädchen steckt und in der balinesischen Kultur genutzt wird. Die Mädchen übernehmen Verantwortung und schlüpfen für eine gewisse Zeit in eine Rolle und wachsen über sich selbst hinaus. Sie verfügen über übernatürliche Kräfte, auf welche die Gemeinschaft dringend angewiesen ist.“

 

Bei NO GOOD steht ebenfalls die Kraft im Mittelpunkt, sei sie menschlicher oder übernatürlicher Art: Die aggressive, zerstörerische, heimtückische und verführerische Kraft. Es sind starke und bedrohliche Gefühle, die Teil von uns allen sind. Mythologie, Film, Musik und Literatur sind weitere wichtige Inspirationsquellen für die Ausgestaltung der einzelnen Charaktere: Der Folksong Pretty Polly oder der Roman Miss Lizzy von Walter Satterthwait. Die Filme Kill Bill von Quentin Tarantino, Pan’s Labyrinth von Guillermo del Toro. Aber auch Tideland von Terry Gilliam‚ El orfanato von Juan Antonio Bayona oder Sauna von Antti-Jussi Annilam, um nur einige zu nennen.

Text von Katja Baumhoff, Kunsthistorikerin und Kuratorin

22teilige Serie, 78×108 cm, Lambda-Print, glanz

Date
Category
Fotografie